Eine echte Anfrage, die auf meinem Tisch landete:

Warum „Senior Enterprise Architekt gesucht“ meist bedeutet: Das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen
- 50 Standorte weltweit, 27 Leistungsscheine
- VMWare-Datacenter muss in neue Umgebung (Broadcom lässt grüßen)
- Cloud-Transition, Server-Migration, Netzwerk-Redesign
- Zeitrahmen: 3 Wochen
- Aufgabe: „Zielkonfiguration aus dem Ärmel schütteln“
Meine Frage an Sie: Wie viel wird diese Migration am Ende kosten?
Und vor allem: Wie viel hätte man gespart, wenn man mich 6 Monate früher gefragt hätte?
Das Geschäftsmodell „Künstliche Komplexität“
Nach 35 Jahren Enterprise Architecture habe ich verstanden: Der deutsche IT-Markt lebt nicht von Lösungen. Er lebt von permanent beschäftigten Feuerwehren.
Die Mechanik ist simpel:
- Phase 1: Vendor erhöht Preise (VMWare/Broadcom ist nur das neueste Beispiel)
- Phase 2: Panik-Migration wird gestartet – ohne Gap-Finding, ohne Risiko-Assessment
- Phase 3: Mittendrin merkt man: „Das ist komplexer als gedacht“
- Phase 4: „Wir brauchen einen Senior Enterprise Architekten – SOFORT“
- Phase 5: Teurer Notfall-Einsatz, halbgare Lösung, neue Abhängigkeiten
- Phase 6: In 18 Monaten wiederholt sich das Spiel
Jede Phase generiert Umsatz. Für alle Beteiligten. Außer für den Auftraggeber.
Was ich in den ersten 2 Tagen gefunden hätte
Bei dieser konkreten Anfrage hätte ein 2-Tages-Assessment vermutlich ergeben:
- Problem 1: Die 27 Leistungsscheine entstehen aus historisch gewachsener Service-Fragmentierung → Konsolidierung spart 40-60% Migrationskomplexität
- Problem 2: Die „weltweiten Standorte“ nutzen wahrscheinlich 4-5 verschiedene Netzwerk-Architekturen → Standardisierung VORHER macht Migration trivial
- Problem 3: Die VMWare-Umgebung läuft vermutlich auf überalterter Hardware mit jahrelang akkumuliertem Konfigurations-Debt → Clean-up vor Migration spart Wochen
Kostendifferenz zwischen „3 Wochen Feuerwehr“ und „2 Tage Gap-Finding“:
- Mit Feuerwehr: €500K-800K Migration, 6-12 Monate Stabilisierung, neue Lock-ins
- Mit Gap-Finding: €150K-250K Migration, 2-3 Monate Stabilisierung, echte Flexibilität
Das nennt man ROI von 3:1 bis 5:1. In zwei Tagen.
Warum zahlt niemand dafür?
Weil das System gegen präventive Intelligenz optimiert ist:
- IT-Dienstleister verlieren 70% Umsatz, wenn Probleme gar nicht entstehen
- Procurement verliert Daseinsberechtigung, wenn 27 Leistungsscheine auf 8 schrumpfen
- Internal IT muss zugeben, dass man jahrelang Komplexität akkumuliert hat
- Vendor verliert Lock-in-Macht, wenn echte Architektur Flexibilität schafft
Mein Name dafür: „Artificially Increased Emergence“
Komplexität, die nicht aus technischer Notwendigkeit entsteht, sondern aus wirtschaftlichen Interessen BEWUSST aufrechterhalten wird.
Die Rechnung für Portfolio-Eigentümer
Wenn Sie ein PE-Portfolio mit 15 Unternehmen haben:
- Durchschnittlich 2-3 solcher „Notfall-Projekte“ pro Jahr und Portfolio-Firma
- Durchschnittliche Mehrkosten durch fehlende Gap-Finding: €300K-500K pro Projekt
- Portfolio-weite Verschwendung: €9M-22M pro Jahr
Und das ist nur die IT. Manufacturing, Supply Chain, Compliance – überall dieselbe Mechanik.
Was wäre nötig?
Ein Scharnier. Jemand, der NICHT vom Chaos lebt.
Jemand, der:
- Vor Vendor-Panik die echten Abhängigkeiten findet
- Vor Migrations-Projekten die Kosten-Treiber eliminiert
- Vor Consulting-Orgien die vermeidbaren Probleme löst
Das ist kein „Senior Enterprise Architekt für 3 Wochen“.
Das ist ein 2-Tages-Investment, das 6-stellige Summen spart.
Aber dieser Rolle fehlt der Business Case – weil sie zu viele andere Business Cases zerstört.
Meine Frage an Sie
Wenn Sie ein Portfolio-Unternehmen haben, das gerade:
- Einen „kritischen“ Cloud-Migration plant
- „Dringend“ ein SAP S/4HANA-Projekt startet
- „Sofort“ eine Cybersecurity-Initiative braucht
Wie sicher sind Sie, dass das wirklich kritisch, dringend, sofort ist?
Oder bezahlen Sie gerade jemanden, dessen Geschäftsmodell auf artificially increased emergence basiert?
Michael Schmid
Enterprise Architect | Spezialist für Gap-Finding
35 Jahre Erfahrung mit Telekom-Netzen, Automotive, Defense
it-dialog e.K., Stuttgart
„Ich baue Systeme, die 39 Jahre laufen. Ich werde nicht dafür bezahlt, Feuer zu löschen – sondern sie zu verhindern. Das macht mich unbeliebt bei Feuerwehren, aber wertvoll für Eigentümer.“
P.S.: Die Anfrage habe ich abgelehnt. Nicht weil ich die 3 Wochen nicht ausfüllen könnte. Sondern weil ich in 2 Tagen zeigen würde, dass 90% davon vermeidbar gewesen wäre. Und das will niemand hören, der vom Chaos lebt.
Möchten Sie wissen, wo in Ihrem Portfolio künstliche Komplexität Millionen verbrennt?
Sprechen Sie mich an: info@it-dialog.com
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Buch: Greenfield Approach – Auf der grünen Wiese wachsen die Ideen.
